Thomas Kellermann –
Zwei-Sterne-Koch
im Gourmetrestaurant „Kastell“
Wer könnte mehr über das Geniessen wissen als ein Sternekoch? Nur 39 Zwei-Sterne-Restaurants gibt es zur Zeit in ganz Deutschland. „Endlich Geniessen“ hatte die wunderbare Gelegenheit, Thomas Kellermann vom Zwei-Sterne-Gourmetrestaurant „Kastell“ auf Burg Wernberg in der Oberpfalz zu Küche, Trends und Esskultur zu interviewen.
Eins vorweg – der Sternekoch sieht auf den ersten Blick gar nicht aus wie viele seiner Zunft. Er ist groß, schlank, sportlich und gewinnt uns sofort mit seiner zurückhaltenden und gleichzeitig offenen, höflichen Art. Wer einen der flapsig moderierenden TV-Sterne-Köche erwartet, wird äußerst angenehm überrascht sein, wenn er den Koch persönlich trifft. Und dabei steuert Thomas Kellermann schon stark seinen dritten Michelinstern an!
Für den Start unseres Interviews nimmt uns Kellermann über den romantischen Burginnenhof direkt mit in seine „Schänke“ – ein mit dunklem Holz vertäfeltes, traditionelles, urgemütliches Wirtshäuschen. Es besteht wirklich nur aus einem einzigen Gastraum mit Platz für etwa 20 Personen, ideal für kleine Firmenfeiern. Gleich hinter dem Tresen kocht Kellermann hier mit seinem Team direkt vor den Gästen, plaudert auch gern mit ihnen, während er seine Sternemahlzeiten unprätentiös zubereitet. Tuba- und Zittermusikanten untermalen an manchen Sonntagen das rustikale Ambiente.
Wer also Thomas Kellermanns Küche ganz leger ausprobieren möchte, kann Sonntags einen Ausflug zum Mittagessen in die Burg Wernberg unternehmen. Kellermann-Niveau wird auf der gesamten Burg gekocht, nicht nur abends im Sternerestaurant „Kastell“. Nein, und man braucht sich hier nicht genieren, wenn man vor oder nach einer Wanderung in Outdoorklamotten ankommt, lacht der 45-Jährige. Ebenso gilt das für den „Wintergarten“, ein weiteres Restaurant neben „Kastell“ und „Schänke“, mit Blick über den verwunschenen Burghof hinunter ins Tal. Für die Mannsbilder eignet sich aber auch gleich prima das Vatertags-Event 2016 im Mai auf Burg Wernberg mit Zwei-Sterne-Barbecue.
Auf in die Sterneküche, Patisserie und
ins Gourmetrestaurant „Kastell“
Aber kommen wir endlich zum Allerheiligsten des Gourmets. Durch einen Gang betreten wir angrenzend an die Schänke direkt das Herz des Geschehens: die überraschend kleine Sterneküche mit angrenzender Patisserie. Es ist 11 Uhr vormittags und das Team hantiert bereits hochkonzentriert mit Messern und an großen Töpfen, schneidet Gemüse und lässt sich nicht ablenken, als wir unser Interview in der Küche des Gourmet-Restaurants Kastell beginnen.
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EG: Wie würden Sie einem Laien den Unterschied zwischen Einem, Zwei- oder Drei-Sternerestaurants erklären?
TK: Es gibt ja die bekannte Definition des Guide Michelin, der ausschließlich das Essen bewertet. Darin heißt es: ein Stern – „Eine sehr gute Küche, verdient die Beachtung des Lesers“, zwei Sterne – „Eine hervorragende Küche – verdient einen Umweg“, drei Sterne – „Eine der besten Küchen – eine Reise wert“.
Davon abgesehen ist die Differenzierung schwierig, es gibt aber schon gewisse Parameter. Man kann den Vergleich mit dem Fußball versuchen: Schon mit einem Stern ist ein Koch unbestritten auf Toplevel und spielt in der Bundesliga, mit zwei Sternen dann auf Europapokal-Top-Nivau.
Letztlich ist die Handschrift, also die Persönlichkeit des Kochs in den höheren Sternekategorien immer besser zu herauszulesen. Sowohl der Geschmack der Gerichte, als auch die Technik sind klarer, was die Person des Kochs betrifft. Mein Ziel für das Kastell ist der dritte Stern. Unser Team arbeitet daher immer auf Zug.
EG: Wie bringen Sie Ihr sichtlich junges Team zu diesen täglichen Top-Leistungen? Werden Sie dazu in Ihrer Küche schon mal laut?
TK: Nein, wenn es stressig wird, werde ich eher ruhiger, selten laut. Mein Motto ist „leading by sample“, also immer mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn z.B. eine Kraft ausfällt, dann übernehme ich deren Job. Da wird auch mal gespült, wenn Not am Mann ist. Mir ist es wichtig, daß die Einstellung im Team passt. Der Motor der Küche muß ja schließlich täglich laufen. Da dürfen meine Leute auch nicht nervös werden, wenn mal prominente Gesichter, wie z.B. der Gourmetkritiker Jürgen Dollase von der FAZ, zu Gast sind. Mein Team muss auch in solchen Situationen gelassen bleiben können und alle gleich behandeln. Und dass das bei uns klappt, darauf bin ich stolz.
EG: Was war Ihr mutigstes Gericht und wie entstehen Ihre Kreationen?
TK: Unter anderem war mutig mein Signaturgericht „Phönix aus der Asche“. Das ist Fenchel, im Salz-Ascheteig gegart. Bis dieses Rezept wirklich perfektioniert war, hat es schon etwas gedauert. Angefangen habe ich mit Kohl statt Fenchel, was aber nicht ganz so gut passte. Inspiriert hat mich übrigens ein wunderbarer Seewolf im Salzteigmantel. Wie herrlich aromatisch der Fisch beim Aufbrechen des Teiges duftete… . Meine neuen Kompositionen entstehen durchweg in der Küche. Es kann schon zwei Wochen dauern, bis eine Rezeptur meine Zustimmung hat. Ein besonders mutiges Gericht fand ich auch die „Schokolade mit Petersilienwurzelmilch“. Klingt furchtbar und war mutig, schmunzelt er, aber der Nachtisch schmeckt wirklich ganz wunderbar.
EG: Es hängen hier die zwei aktuellen Menükarten als Ausdruck an der Küchenwand – im „Kastell“ auf Burg Wernberg wird reiner Abendservice gekocht?
TK: Ja, stimmt. Es gibt immer zwei Menüs, das „Menü Kellermann“ und das „Degustationsmenü“. Beide sind jeweils gedacht wie eine kulinarische Opernaufführung. Man bekommt mit der Menükarte quasi sein perfektes Programm für unsere Aufführung. Der Gast kann natürlich auch wählen, die beiden Menüs untereinander mischen, reduzieren, also etwa nur etwa drei Speisen essen, das geht auch.
Anmerkung EG: Nachdem es in der Küche und Patisserie immer geschäftiger zugeht, überlassen wir dem jungen Sternekochteam das Feld, machen Platz und gehen direkt von der Küche ins „Kastell“ und führen dort das Interview in Ruhe bei einer Tasse Kaffee fort. An großen runden Tischen sitzt man im „Kastell“ in äußerst bequemen Sesseln und hat angenehm viel Platz, auch zu den Nachbartischen. Das Ambiente ist im Gegensatz zur „Schänke“ hier farblich neutral und modern in weiß gehalten und von Bodenstrahlern warm beleuchtet. Man kann sich hier voll auf den Genuß der Sternekreationen konzentrieren.
EG: Was halten Sie von Trends in der Küche, wie zum Beispiel dem Streetfood-Trend?
TK: Ich finde alles interessant, was sich spezialisiert und dann auf einfache Art gut produziert wird. Dennoch laufe ich persönlich keinen Trends hinterher. Wenn, dann wäre ich froh, wenn es einen Wirtshaustrend geben würde, eine Art Eckpfeilerküche, als ordentliche Basis, denn die muß schließlich stimmen. Es kann ja nicht jeden Tag Sterneküche geben. Ich bin auch ein Liebhaber der Zoiglkultur. Unsere Wirtshäuser dürfen nicht wegbrechen, daran müsste man viel mehr arbeiten. Für mich wäre es später auch wunderbar einen einfachen Biergarten oder eine Almwirtschaft zu betreiben. Leider ist unsere Wirtshausküche absolut unterbezahlt. Man kann einfach kein ordentliches Wiener Schnitzel mit Kalbfleisch unter 20 Euro abgeboten bekommen… .
EG: Stimmt. In deutschen Haushalten wird immer noch sehr an hochwertigen Lebensmitteln und gutem Essen gespart…
TK: Ja, in Frankreich wird der Stellenwert des Kochens traditionell deutlich höher bewertet. Auch die Sterneküche ist in Deutschland noch nicht so im normalen Leben angekommen, wie in Frankreich. Die Franzosen gehen mit Familie mit zwei Kindern am Sonntag mittag zum Essen in ein Sternerestaurant, das ist dort ganz selbstverständlich. Dafür wird in Deutschland das Geld eher für die Technik ausgegeben. Am meisten für die Küche als Statussymbol, hier ist ja Deutschland wiederum der Spitzenreiter!
EG: Wie sieht der Tagesablauf eines Sternekochs im „Kastell“ aus?
TK: Meine Kastellwoche beginnt immer Mittwochs, Montag und Dienstag habe ich frei. Ich komme morgens zwischen 8 und 10 Uhr, trinke erst mal einen Kaffee und verschaffe mir einen Überblick. Ein Hauptteil meiner Arbeit besteht tatsächlich aus Organisation und Telefonaten mit Lieferanten, insbesondere bei Fleisch und Fisch sollte die Ware möglichst regional kommen. Zuverlässig höchste Qualität aller Produkte, die auf den Teller kommen, das ist mein Ziel.
Mittwochs und Donnerstag stehe ich meist auf dem Fischposten. Wir haben in der Region übrigens einige tolle Fischhändler, besonders bekommt man gute Saiblinge hier. Ich kenne viele unserer Viehbauern und Fischzüchter persönlich, das ist ein ganz besonderer Schlag Mensch – für jeden übrigens mal einen Besuch wert. Besonders stolz bin ich auf meinen siebenjährigen Sohn. Für den war es ein wahnsinniges Erlebnis einen Fisch selbst zu fangen, töten und auszunehmen, als wir bei einem befreundeten Fischzüchter zu Gast waren. In der Schule hat mein Sohn dann einen Aufsatz über das „Ausweiden“ geschrieben, so sehr hat ihn das beeindruckt…
Ich will damit sagen, wir sollten uns generell mehr Gedanken machen, woher unsere Produkte kommen, insbesondere unser Fleisch. Eigentlich müsste man alles selbst töten können, was man isst. Wichtig wäre mir persönlich, daß unsere Gäste sich bewußt sind, wenn sie Fleisch oder Fisch essen, daß dafür ein Lebewesen vergehen mußte.
EG: Wer kocht bei Ihnen zu Hause und was gibt es dann beim Sternekoch privat?
TK: Ich würde sagen… wir teilen uns das. Meine Frau kocht übrigens auch sehr gut – während der Woche, und ich, wenn ich frei habe. Meine beiden Kinder probieren immer alles, was es gibt. Für den Einkauf gehen wir gern auf einen unserer vielen guten Wochenmärkte. Ein guter Wochenendbraten sollte als Fleischration in der Woche absolut reichen. Ich halte aber nichts von Extremen, weder von dem Vegantrend oder kompletten Verzicht auf etwas. Milchprodukte müssen reduziert werden, klar, wer erinnert sich nicht an die Milchlüge der 70er Jahre? Die Industrie will uns und unsere Kinder heute mit Brühwürfel, Zucker und Fruchsäften abhängig machen. Hier sollte man erzieherisch früh gegensteuern.
EG: Stichwort Erziehung und Knigge im Sternerestaurant – wie reagieren Sie, wenn Gäste Ihre Gerichte mit dem Handy fotografieren? Es gibt ja auch das Gerücht, wer im Sternerestaurant den Teller tauscht, kriegt mit der Rechnung auch gleich sein Hausverbot?!
TK: Quatsch, bei uns im „Kastell“ darf man natürlich gern Fotos vom Essen machen, solange andere Menschen nicht ungewollt mit drauf sind oder sich durch das Fotografieren belästigt fühlen. Und außerdem ist es unseren Gästen ausdrücklich erlaubt, daß man sich gegenseitig probieren lässt und sogar den Teller tauscht. Das haben wir extra in unsere beiden Menükarten am Ende mit aufgenommen!
EG: Vielen Dank, Herr Kellermann, für das Interview und den sehr persönlichen Einblick in Ihre Sterneküche. Ich bin der Ansicht ein Restaurantbesuch im „Kastell“ auf Burg Wernberg ist eine Reise wert!
Endlich Geniessen