„Prijatnawa Apitita“ – Das war Russisch. Für „Guten Appetit“. Und den braucht man wirklich, weil es in russischen Häusern immer reichlich zu essen und zu trinken gibt. So auch beim russisch Kochen lernen mit Natascha. In ihrer eigenen russischen Küche wurde kredenzt, geköchelt und gebastelt: Blinis mit Kaviar, Hühnerleberpastete, „gefilter“ Fisch, Borsch, Piroschki, Pelmeni, Warenki, Wodkadegustation, russische Bienenwabentorte…
Das Beste zuerst: Wir durften direkt zu Hause in Nataschas eigene Küche kommen. Wir konnten die russische Gastlichkeit hautnah miterleben, mit feinem Geschirr, Kristallgläsern und Silberbesteck. Keine anstrengende Kochschulen-Atmosphäre, sondern mit der eigenen Familie der Mamutschka am Tisch ein bisschen mitarbeiten, und viel mitessen und mittrinken.
Gleich zur Begrüßung wurde jeder Teilnehmer mit einer bunten Babuschka-Schürze ausgestattet und auf ging es in ein russisches Kochabenteuer. Die Schürze tat gute Dienste, dazu aber noch später… . Authentisch und gut russisch Essen gehen ist bei uns, also in der Regensburger Gegend, eigentlich unmöglich. Es gibt einfach kein Lokal. Umso spannender und unvergleichlich ist der Abend bei Natascha geworden. „Wer kocht muss vorher unbedingt was essen“, erklärt Natascha und führt uns an ihren geräumigen Kochblock. Genau – hungrig kochen kann nicht gutgehen. Und durstig geht auch nicht. Daher erhielten wir zur Begrüßung erst einmal ein Glas Champagner und Blinis mit Kaviar, Hühnerleberpastete und Sauerrahm.
Blinis (=Eierkuchen) sind wie halb so dünne Pfannkuchen bei uns, oft wird auch Buchweizenmehl verwendet. Man isst in Rußland Blinis aber kaum süss, so unsere Gastgeberin, lieber deftig mit Kaviar, Fisch, Hackfleisch… . Bei Natascha gab es dazu auch ihre selbst gemachte Bio-Hühnerleberpastete, die einem Sternekoch mehr als würdig ist. Hühnerleberpastete ist ein unglaublich guter russischer Aufstrich zu besonderen Anlässen.
Weiter ging es mit der einfacheren Variante von „gefilte Fisch“ mit Meerrettich, also gefüllter Fisch. Eigentlich wird dazu ein echter ganzer Fisch vorsichtig ausgenommen, das Fischfleisch gewolft und mit einer Art Fischknödelteig aus angebratenen Zwiebeln, vielen Eiern und Brot verarbeitet und wieder in den Fisch gestopft und dieser am Tisch dann feierlich angeschnitten. In unserem Fall ging es auch einfacher, da eine Fischbackform wunderbar ausreicht, um diese „gefilte Fisch“ standesgemäß zu präsentieren.
Mit dieser Grundlage ist man gewappnet, einen russischen Kochkurs zu starten.
Borschtsch? Bortsch?Borscht? Borsch?
Borsch schreibt es Natascha. Russische Suppe.
Nachdem der Champagner erst mal wirkte, kann ich zur Suppenzubereitung nur noch grob sagen: Grundlage ist eine deftig pikante Kalbs- oder Rinderbrühe. Das Fleisch nimmt man aus der Suppe. Rote Bete, Karotten, gekochte Kartoffeln, Zwiebeln, Wurzelpetersilie, Weißkohl oder noch feiner Spitzkohl, gehackte Tomaten, werden nacheinander kleingeschnitten oder fein gerieben und in der fertigen Suppe zum Kochen gebracht, dann mit Zitronensaft, in Sonnenblumenöl angebratenen Zwiebeln und Tomatenmark abgeschmeckt. Etwas vom dem Fleisch wieder rein. Viel, viel Dill und Petersilie als Kräuter in die Suppe und über die Suppe nach Belieben. Noch besser schmeckt die Suppe am nächsten Tag.
Dill in Russland
Wir Deutschen essen eigentlich kaum Dill. Nur zu Fisch, oder? Die Russen haben quasi eine Dill-Obsession. Es gibt sogar ein Buch, das heißt „Russland schmeckt nach Dill“, von Gabriele Pfeffer, wie ich bei meiner kurzen Dill-Recherche herausfinde. Man muss nur einmal einen russischen Kochabend miterlebt haben, um diese Aussage zu 100 % bestätigen zu können. Natascha erzählt uns, sie macht einen Kartoffelsalat, zu dem ihre Freundinnen liebevoll nur Dillsalat sagen. Diese Dill-Manie hat mich an dem Abend auch angesteckt:
Piroschki
LowCarb ist ein dem Russen fremder Wortstamm, das war mir aber vorher schon ansatzweise klar. Die Piroschka, die wir aus dem vorbereiteten Hefeteig herstellen, sind dennoch erst der Anfang. Piroggen, das urslawische Wort geht auf passenderweise das Wort Fest, Gelage zurück… .
Ein Fest ist es immer, wenn viele Leute miteinander essen und kochen. Wenn – wie heute abend – 8 Leute um einen Tisch herumsitzen und miteinander Piroschki mit Hackfleisch oder Krautmischung füllen, dann möchte man schon direkt ein russisches Volkslied anfangen zu singen. Übrigens kann man diese Teigfüllarbeit auch bezahlt abgeben, sagt Natascha. Man bringt alle Zutaten wie fertigen Teig und fertiges Hack- oder Frischkäsefüllung zu anderen Babas (Mütterchen) und holt sie einfach fertig gedreht wieder ab. Spart viele Stunden Arbeit, v.a. wenn man eine größere Anzahl an Gästen verköstigen möchte.
Pelmeni & Warenki
Es geht direkt weiter mit der Fronarbeit, nämlich die Pelmeni und Warenki ausstechen und richtig füllen, falten und kleben. Dieser Teig besteht aus Wasser, Salz, Eier und Mehl. Die Kunst besteht darin, den richtigen Dreh rauszufinden, wie die Pelmeni oder Warenki erst korrekt gefüllt und dann geformt werden, bevor sie gekocht werden. Pelmeni: Teig mit Glas ausstechen. Füllung draufgeben. Einschlagen. Halbmond zukleben. Enden zusammenziehen und wieder zukleben.
Warenki: Teig mit Glas ausstechen. Füllung draufgeben. Einschlagen. Halbmond lassen. Mit dem Daumen kleine Fältchen in die halbrunde Seite drückfalten, also übereinanderschlagen, zu einem hübschen Rand.
Die Pelmeni wurden mit einer von Natascha vorbereiteten Rinder-/Schweinehackmasse gefüllt. Die Warenki erhielten eine super feine Dill-‚Körniger-Frischkäse‘-Füllung.
Wodka auf russisch
Wodka stürzt man in Russland runter… Natascha macht es vor und erklärt danach soll man unbedingt traditionell eine in Essig eingelegte Tomate essen. Wodkagläser stehen in Russland ständig gefüllt am Tisch neben jedem Platz und werden immer, wenn es einem einfällt, in der Runde gemeinsam mit dem Trinkspruch gehoben und geleert. Und Trinksprüche fallen den Russen ständig ein, wird mir erklärt.
Beluga Wodka, Five Lakes Wodka und noch einer, dessen Name nicht mehr erinnerlich ist, werden von uns mitteleuropäischen Weintrinkern natürlich nicht gestürzt, sondern fein erstmal genippt um den angeblichen Unterschied herausschmecken. Ja, und in der Tat, es gibt doch starke Unterschiede im Wodka-“geschmack“. Ich schmecke eher weich oder hart, brennt mehr oder brennt weniger. Ob eher sehr teuerer Beluga Wodka oder durchnittlicher, je nach Belieben findet sich etwas für jeden Gaumen und Anlass. Aber ich wette lieber nicht, daß ich meinen Lieblingswodka tatsächlich rausschmecken würde.
Russische Bienenwabentorte
Nein, wir haben auch hier an dieser Torte nicht selbst Hand angelegt. Die war schon fertig. Natascha ist eine begnadete Tortenbäckerin und hat auch die Torten für die Hochzeit ihrer Tochter alle selbst gemacht. Das Hochzeitsalbum wird stolz präsentiert, von allen bestaunt und wir finden es einfach gemütlich. Im Hintergrund läuft mittlerweile eine russische TV-Show, das Einschalten habe ich gar nicht gemerkt, so zu Haus fühle ich mich nach nur wenigen Stunden.
Nochmal zur Babuschka-Schürze: Ich bin im stillen so dankbar über meine Babuschka Schürze, die meinen Babuschka-High-Carb-Bauch hoffentlich gut kaschiert mit ihrem bunten Muster. Meine Mitstreiterin hat sich schon ihrer Hosengürtel entledigt, da diese nicht mehr gebraucht wird, stören eher. Obwohl, als das Wort Bienenwabentorte fällt, wird allgemein festgestellt, bisserl was geht immer noch. Die Bienenwabentorte ist auch traditionell russisch. Man muss nicht viel erklären, nur anschneiden, dann erklärt sich der Name von selbst.
Fazit: Wir wurden bei Natascha authentisch in die russische Küche und Gastfreundschaft eingeführt. Russisch kochen heißt viel, viel vorbereiten, stundenlanges Teigtaschen füllen, was man einmal gemeinsam erlebt haben muss. Nachkochen kann man russische Küche leicht, die Zutaten sind nicht so exotisch, die Zusammenstellung aber durchaus. Wo auch immer ich die Gelegenheit haben werde, es wird russisch gegessen.
Balschoie Spaziba, Natascha!
PS: Und wer gern in Regensburg ebenfalls einen russischen Kochkurs bei Natascha in ihrer Küche besuchen möchte, der kann sie gerne über mich kontaktieren.